Röntgenfilme-Archiv des Instituts für Zoologie der Universität Jena nun online zugänglich

(17.08.2014) Ein Faultier, das gemütlich eine Stange entlang klettert, eine Katze, die auf allen vier Pfoten landet, und eine Wachtel, die einen Hindernisparcours durchläuft und dabei ein Ei in ihrem Körper trägt: Die Hochgeschwindigkeits-Röntgenvideographieanlage am Institut für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie der Universität Jena hat schon viele Tiere beobachtet, gefilmt und erstaunliche Dinge sichtbar gemacht.

„Der Röntgenblick durchleuchtet die Tiere bis auf die Knochen“, erklärt Prof. Dr. Martin S. Fischer. „Dabei entstehen fantastische Aufnahmen, mit denen wir die Bewegungsabläufe der Gliedmaßen und des gesamten Skeletts von Tieren exakt vermessen und analysieren können“, sagt der Institutsdirektor und betont, dass alle Arbeiten an der Röntgenanlage den Bestimmungen des Tierschutzgesetzes unterliegen.


Ein mit der Jenaer Röntgenanlage erstelltes Röntgenbild von Kopf und Brust eines Zweifingerfaultieres

„Die Röntgendosis ist sehr gering und bei allen bisher untersuchten Tieren sind nachweisbar keine Schädigungen aufgetreten“, so Fischer.

Mit 2.000 Bildern pro Sekunde in HDTV-Qualität gehört die Jenaer Röntgenanlage weltweit zu den modernsten und leistungsfähigsten Anlagen überhaupt. Seit ihrer Inbetriebnahme 2007 war sie durchschnittlich an zwölf Tagen pro Monat im Einsatz.

Über 50.000 Filme mit einem riesigen Datenvolumen von rund 40 Terabyte haben die Jenaer Evolutionsbiologen inzwischen produziert.

Jetzt ist das Archiv mit den außergewöhnlichen Tierfilmen auch online einem breiten Publikum zugänglich, und zwar unter: http://szeb.thulb.uni-jena.de/szeb. „Diese einzigartige Sammlung wollen wir auch anderen Wissenschaftlern, Präparatoren, Schulen und den Medien zur Verfügung stellen“, sagt Martin Fischer.

Mit Hilfe einer speziellen Datenbank – dem Kernstück der neuen Internetseite – können Interessierte das Filmarchiv durchsuchen und sich weitere Informationen über die einzelnen Videos sowie eine Vorschau anzeigen lassen.


An der Hochgeschwindigkeits-Röntgenvideographieanlage am Institut für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie der Universität Jena können die Forscher die Bewegungsabläufe von Tieren beobachten

„Die ersten Filme sind bereits in das System eingespielt, schrittweise werden nun die übrigen folgen“, kündigt Fischer an.

Seit über zwei Jahren verfolgen die Jenaer Zoologen die Idee, die Tausenden Röntgenfilme online verfügbar zu machen.

Das Vorhaben stellte sich jedoch als weitaus komplexer heraus als anfangs angenommen: „Es gibt keine Patentlösung, um wissenschaftliche Daten in dieser Größenordnung nachhaltig aufzubewahren und öffentlich zugänglich zu machen“, sagt Rommy Petersohn, die gemeinsam mit Dr. Bettina Hesse das Projekt koordiniert hat.

Unterstützung fanden sie schließlich bei Uni-Kollegen vom Institut für Informatik, dem Universitätsrechenzentrum, dem Multimediazentrum und der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB).

Die Herausforderungen des Teams waren vielfältig: So musste für einen Ablageort gesorgt werden, an dem die Daten dauerhaft, verlustfrei und in einem für jeden lesbaren Format archiviert werden können.

Bei der Entwicklung der Datenbank ging es vor allem darum, diese so zu konzipieren, dass sie spätere Suchanfragen erfüllen kann.

„Die Hauptaufgabe war es, die Filme zu kategorisieren und die Metadaten zu erstellen, also die Daten mit den Informationen über die Daten“, erläutert Prof. Dr. Klaus Küspert, Lehrstuhlinhaber für Datenbanken und Informationssysteme.

Genau damit beschäftigte sich Informatikstudent Carsten Senf im Rahmen seiner Bachelorarbeit: Er übersetzte das zoologische Wissen in eine möglichst leicht zu verwaltende Datenstruktur. Als Basis für die technische Umsetzung diente ihm UrMEL, die zentrale Zugangsplattform für multimediale Angebote der ThULB.

„Es hat sich eine unglaublich fruchtbare Zusammenarbeit zwischen allen Partnern entwickelt, so dass wir nun eine erste Version unserer Online-Datenbank mit benutzerfreundlicher Oberfläche präsentieren können“, sagt Prof. Fischer.

Zukünftig soll die Datenbank stetig weiterentwickelt und erweitert werden. Zudem ist geplant, die Datenbank in die digitalen Bibliotheksbestände der ThULB zu integrieren.

„Der Nutzer soll auch über seine üblichen Suchanfragen auf die Filme stoßen“, erklärt Michael Lörzer von der ThULB.

„Denn unser Anliegen ist es, Wissenschaft transparent zu machen“, ergänzt Zoologie-Professor Fischer. So dass alle die Möglichkeit haben, an den beeindruckenden Aufnahmen von kletternden Faultieren und springenden Katzen teilzuhaben.



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