Wissenschaftler entdecken Affenvirus in indonesischer Nagetierart

(28.08.2016) Das Gibbon-Affen-Leukämie-Virus (GALV) ist für den Menschen unschädlich und spielt in der humanen Krebstherapie eine große Rolle, obgleich es bei seinem Wirt, dem Weißhandgibbon (Hylobates lar), krankheitsauslösend wirkt.

GALV könnte ursprünglich gar kein Affenvirus gewesen sein, sondern von Nagetieren stammen. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) untersuchte 26 Nagetierarten aus Südostasien auf der Suche nach dem Vorkommen von GALV-ähnlichen Viren.

Dabei entdeckten die Wissenschaftler bei dem Grasland-Melomys (Melomys burtoni), einem Nagetier aus dem indonesischen Westneuguinea, eine neue Variante des GALV.


Bandicota indica, Leopoldamys edwarsi, Maxomys surifer, Mus cookii, Rattus exulans, Rattus tanezumi (von links nach rechts)
Das stützt die Idee, dass der Grasland-Melomys und die mit ihm verwandten Nagetierarten aus  Australien und Papua-Neuguinea eine entscheidende Rolle in der Verbreitung des GALV-Virus spielten. Die Ergebnisse der Forschung wurden jetzt in der Fachzeitschrift  „Journal of Virology“ veröffentlicht.

Ein internationales Forscherteam hat entdeckt, dass Nagetiere aus dem indonesischen Westneuguinea möglicherweise der Ursprung des Gibbon Affen Leukämie-Virus (GALV) sowie des Koala-Retrovirus (KoRV) sind. GALV ist ein Retrovirus, das blutige Geschwüre verursacht – eine Krebsart, die bei in menschlicher Obhut  lebenden Gibbons vorkommt.

Bisher wurde GALV  noch nie bei frei lebenden Affen oder Menschenaffen nachgewiesen. Das deutet darauf hin, dass eine andere Tierart in Gefangenschaft lebende Gibbons infiziert. KoRV und GALV sind eng miteinander verwandte Retroviren und teilen daher einen gemeinsamen Vorfahren.

Da sich die natürlichen Lebensräume der Koalas und Gibbons nicht überschneiden, ist eine natürliche und direkte Übertragung zwischen Koalas und Gibbons unwahrscheinlich. Eher denkbar ist, dass eine oder mehrere weit verbreitete Arten, wie beispielsweise Nagetiere, GALV- und KoRV-ähnliche Viren in sich tragen und so Koalas und Gibbons unabhängig voneinander infizieren. Die Ergebnisse der Studie stimmen mit dieser Annahme überein.

Die Wissenschaftler untersuchten mit Hilfe neuester molekulargenetischer Techniken (Hochdurchsatzsequenzierung) 26 südostasiatische Nagetierarten auf KoRV- und GALV-artige Sequenzen. Ihr Ziel war es, potentielle Zwischenwirte von GALV und KoRV zu ermitteln.

Die Forscher identifizierten eine Nagetierart als möglichen Zwischenwirt, eine neuentdeckte Unterart des Grasland-Melomys (Melomys burtoni) aus dem indonesischen Westneuguinea – auch Grasland Mosaik-Schwanz-Ratte genannt.

Die von dieser Art entnommenen Proben lieferten ein endogenes Retrovirus, das eng mit einem Stamm des GALV verwandt ist. Dies ist ein Hinweis darauf, dass der Grasland-Melomys als Zwischenwirt für GALV- und KoRV-ähnliche Viren fungiert.

Retroviren nutzen an der Zelloberfläche der Wirte präsente Eiweiße (Rezeptoren), um in Wirtszellen eindringen zu können. Veränderungen in der Zusammensetzung des Virus oder der Rezeptoren können verhindern, dass ein Virus bestimmte Organe oder ganze Tierarten infiziert. Die Zusammensetzung des für GALV-Infektionen entscheidenden Rezeptors beim Grasland-Melomys passt zu der Anfälligkeit dieser Art für GALV-Infektionen.

Da jedoch auf dem Festland Südostasiens, dem Verbreitungsgebiet der Gibbons, keine Grasland-Melomys vorkommen, kann das neuentdeckte Virus kein direkter GALV-Vorläufer sein. Jedoch könnte die Entdeckung eines dem GALV so nah verwandten Virus im indonesischen Westneuguinea, besonders in der Übergangszone zwischen Asien und Australien, die bei Biologen als „Wallacea“ bekannt ist, für die Übertragung auf südostasiatische Gibbons von Bedeutung sein.

Auf jeden Fall sind Grasland-Melomys einer von mehreren Zwischenwirten, die eine wichtige Rolle bei der Übertragung des Virus auf Koalas und Gibbons als Endwirt spielen. Es ist auch denkbar, dass das Virus, aus dem sich GALV und KoRV entwickelten, in Australien (Wallacea) durch eine noch mobilere Tierart verbreitet wurde, die sich mit dem Verbreitungsgebiet des Grasland-Melomys überschneidet.

Weitere Forschung in diesem Teil der Welt wird voraussichtlich auch neue Retroviren ans Tageslicht bringen.

Publikation

Alfano N, Michaux J, Morand S, Aplin K, Tsangaras K, Löber U, Fabre P-H, Fitriana Y, Semiadi G, Ishida Y, Helgen KM, Roca AL, Eiden MV, Greenwood AD (2016): An endogenous gibbon ape leukemia virus (GALV) identified in a rodent (Melomys burtoni subsp.) from Wallacea (Indonesia). J VIROL.
http://jvi.asm.org/content/early/2016/06/30/JVI.00723-16.abstract



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