Blauelstern zeigen menschenähnliche Großzügigkeit

(19.10.2016) Prosoziales Verhalten durch gemeinsame Aufzucht der Nachkommen

Die Blauelster, eine Vogelart aus Asien, nützt jede Gelegenheit um ihren Artgenossen Futter zur Verfügung zu stellen, auch wenn sie selbst keine Belohnung dafür erhält.

KognitionsbiologInnen um Lisa Horn und Jorg Massen von der Universität Wien konnten nun in einem Experiment erstmals bei Vögeln ein solches prosoziales Verhalten nachweisen – eine Verhaltensweise, die nur wenige Tierarten an den Tag legen.


Blauelster

Die Ergebnisse ihrer Studie wurden in der Fachzeitschrift Biology Letters publiziert.

Elstern haben nicht den besten Ruf, sind sie doch vor allem dafür bekannt sind, glitzernde Dinge zu stehlen. Auch anderen Vogelarten, bei denen WissenschafterInnen prosoziales Verhalten getestet haben, war das Wohl ihrer Gruppenmitglieder gleichgültig oder sie ließen den anderen nur dann Futter zukommen, wenn diese wiederholt danach gebettelt hatten.

Blauelstern scheinen hier die Ausnahme von der Regel zu sein. Sie stellen ihren Gruppenmitgliedern Futter ganz spontan zur Verfügung, auch wenn diese nicht darum betteln. "Dieses sogenannte 'proaktive prosoziale Verhalten' wurde lange für ein Alleinstellungsmerkmal des Menschen gehalten", erklärt Lisa Horn, die Erstautorin der Publikation.

ForscherInnen vermuten, dass das gemeinsame Aufziehen der Kinder beim frühen Menschen dazu geführt hat, dass wir heute auch anderen etwas zukommen zu lassen, ohne selbst eine Gegenleistung zu erwarten.

In Übereinstimmung mit dieser Hypothese entdeckten WissenschafterInnen prosoziales Verhalten auch bei Affenarten, die ihre Nachkommen gemeinsam aufziehen. "Allerdings fehlten bis jetzt Ergebnisse von anderen Tiergruppen", so Horn.

Aus diesem Grund testeten Horn und ihre Kollegen prosoziales Verhalten bei Blauelstern, die ihre Nachkommen ebenfalls gemeinsam aufziehen. Sie verwendeten dafür eine raffinierte Versuchsanordnung: Die Vögel konnten durch das Landen auf einer Sitzstange einen Wipp-Mechanismus auslösen, der Futter in Reichweite ihrer Gruppenmitglieder brachte.

Wenn sie jedoch selbst versuchen wollten, an das Futter zu gelangen, mussten sie die Sitzstange verlassen, wodurch sich die Wippe zurückbewegte und das Futter wieder außerhalb der Reichweite der Vögel war.

Obwohl die Blauelstern dadurch selbst nie an das Futter gelangen konnten, lieferten sie über alle Versuchsrunden hinweg Futter für die anderen Gruppenmitglieder.

Darüber hinaus bedienten die Blauelstern den Versuchsapparat nur dann, wenn die Gruppenmitglieder tatsächlich Futter erhalten konnten und nicht in einer Kontrollsituation, wo der Zugang zum Futter für die anderen Vögel versperrt war.

"Unsere Ergebnisse untermauern die Hypothese, dass die gemeinsame Jungenaufzucht das Auftreten von prosozialen Tendenzen nicht nur beim Menschen und Affen, sondern auch bei anderen Tierarten fördert. Um sicher zu sein, müssen wir allerdings noch weitere Vogelarten testen", so Horn abschließend.

Publikation

Horn L, Scheer C, Bugnyar T, Massen JJM. 2016. Proactive prosociality in a cooperatively breeding corvid, the azure-winged magpie (Cyanopica cyana). Biology Letters 12: 20160649

http://dx.doi.org/10.1098/rsbl.2016.0649


Weitere Meldungen

Ruhr-Universität Bochum

Warum Vögel so schlau sind

Die vergleichende Arbeit der Neurowissenschaftler des Sonderforschungsbereiches „Extinktionslernen“ der Ruhr-Universität Bochum trägt auch dazu bei, das Rätsel um die allgemeinen neurobiologischen Prinzipien der Intelligenz zu lösen
Weiterlesen

Männliche Mönchsgrasmücke (Sylvia atricapilla) auf Beerensuche; Bildquelle: Sascha Rösner

Natürliche Wiederbewaldung durch fruchtfressende Vögel

Ein Team von 14 europäischen Forscher*innen zeigt, dass in weitgehend entwaldeten Gebieten fruchtfressende Vögel größer und mobiler sind als entsprechende Arten in Wäldern. 
Weiterlesen

Prachtstaffelschwanz-Weibchen im Nest; Bildquelle: Ashton Claridge, Sonia Kleindorfer

Das Schlaflied der Vogelmutter spielt eine größere Rolle als bisher angenommen

Eine neue Studie unter der Leitung der Biologin Sonia Kleindorfer von der Universität Wien untersucht die vorgeburtliche Klangerfahrung und Klanglehre junger Singvögel
Weiterlesen

Wissenschaftlerin Léna de Framond bei der Feldforschung in Tansania: Mit einem großen Mikrofon und einem Fernglas untersucht sie das Verhalten und den Gesang von Sprossern.; Bildquelle: Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz / Henrik Brumm

Sprosser: Territorialität außerhalb der Brutsaison

In ihrem Winterquartier in Tansania halten sich einige Sprosser-Männchen in unmittelbarer Nähe zueinander auf. Das ist ein auffälliger Kontrast zu ihrem Territorialverhalten während der Brutzeit in den gemäßigten Zonen
Weiterlesen

Balzritual des Manakins; Bildquelle: Animal Behaviour

Sexuelle Selektion verändert die heißen Moves der Vogelbalz

Wie sich diese Balzvorführungen evolutionär entwickeln, untersuchte nun eine internationale Studie unter Beteiligung des Konrad-Lorenz-Instituts für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni
Weiterlesen

Ziel der Studie von Didone Frigerio war es, unter anderem die Genauigkeit der von den Teilnehmenden gesammelten Daten in Abhängigkeit vom für die Erfassung verwendeten Instrument zu untersuchen und Informationen über das Zeit-Raum-Muster der Graugänse zu gewinnen; Bildquelle: Thomas Reibnegger

Citizen Science liefert wertvollen Beitrag zur Verhaltensbeobachtung von Vögeln

Genauigkeit der erhobenen Daten variiert nach Vogelart und Aufgabenstellung
Weiterlesen

Spiegelrotschwanzw; Bildquelle: Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz / Jinggang Zhang

Sperlingsvogel nutzt menschliche Siedlungen zu seinem Vorteil

Der Spiegelrotschwanz verlegt seine Nistplätze in die Nähe von menschlichen 
Weiterlesen

Laubenvogel_; Bildquelle: Vetmeduni Vienna

Das Sexleben von Laubenvögeln

Utl: Für schwächere Männchen kann es sich auszahlen, sich zusammenzuschließen
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen