Chemiker entwickeln ressourcensparendes Herstellungsverfahren für Antibiotika

(25.11.2014) Bislang ist für die chemische Herstellung zahlreicher Antibiotika ein Metallkatalysator notwendig. Dies kann jedoch zur Kontamination der Arzneimittel mit ebendiesen Metallen führen.

Nuno Maulide, Chemiker an der Universität Wien, hat nun zusammen mit einem internationalen Team ein neues, umweltfreundliches und ressourcensparendes Herstellungsverfahren für die Antibiotikaklasse der beta-Lactame entwickelt. Die Arbeit wurde von der renommierten Fachzeitschrift "Chemistry – A European Journal" als "Hot Paper" ausgezeichnet.


Angelehnt an die Seefahrer, die im 15. Jahrhundert die "neue Welt" entdeckt haben, gestaltet sich auch das Cover von "Chemistry".

Die zunehmende Antibiotikaresistenz vieler Pathogene erfordert eine stetige Weiterentwicklung potentieller Wirkstoffe. Deshalb ist das Interesse an neuen Antibiotika groß. "Beta-Lactame sind ein Grundbaustein diverser Antibiotikafamilien, so beispielsweise der Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme und Monobactame.

Für die gängigen Herstellungsmethoden von beta-Lactamen im Labor sind jedoch oftmals instabile Reagenzien oder metallbasierte Katalysatoren notwendig", erklärt Nuno Maulide, Professor am Institut für Organische Chemie der Universität Wien und ERC-Starting Grant Preisträger.

Beta-Lactame: schwierige Herstellung aufgrund chemischer Instabilität

Beta-Lactame sind viergliedrige zyklische Amide. Sie sind Mitglieder der Klasse "kleiner Ringe" in der organischen Chemie. Amide kommen in der Natur häufig vor, jedoch meist in ihrer "linearen" Form – so zum Beispiel in Proteinen. Zyklische Amide (Lactame) sind meist weniger stabil als ihre linearen Analoga und je kleiner der Ring, desto instabiler sind sie.

Aufgrund dieser chemischen Instabilität war es lange Zeit nicht möglich komplexe beta-Lactame herzustellen. John C. Sheeban war in den 1950er Jahren der erste Chemiker, der eine Methode zur Synthese von Penicillin V entwickelte.

Carbene als Zwischenprodukte – eine große Herausforderung

Einer der vielversprechendsten und umweltschonendsten Ansätze für die Synthese von beta-Lactamen basiert auf der Herstellung von Carbenen –äußerst instabile Verbindungen: es handelt sich dabei um besonders reaktive Zwischenprodukte, die aus einem Kohlenstoffatom mit nur zwei Substituenten (anstelle der üblichen vier) und einem freien Elektronenpaar bestehen.

Carbene sind schwer zu kontrollieren und ihre Reaktionen führen meist zu komplexen Produktgemischen, welche in der Synthese unerwünscht sind. Die beste Methode diese Reaktivität zu kontrollieren, besteht in der Kopplung der Carbene an Metallkatalysatoren.

"Mithilfe dieses Ansatzes wurden bereits viele beta-Lactame in Laborsynthesen hergestellt. Die Verwendung eines Metallkatalysators für die Synthese von Antibiotika kann jedoch zur Kontamination der Arzneimittel mit ebendiesen Metallen führen", gibt Nuno Maulide zu bedenken.

Neues beta-Lactam-Herstellungsverfahren benötigt keinen Metallkatalysator

In der aktuell erschienenen Studie präsentieren Nuno Maulide und seine Kollegen aus Lissabon, Portugal (Faculdade de Farmácia und Instituto Superior Técnico) eine neue Synthesemethode für beta-Lactame, die keinen Metallkatalysator benötigt. An der Reaktion ist ein außergewöhnlich gut kontrollierbares Carben beteiligt, das zu einem einzigen Reaktionsprodukt – dem angestrebten beta-Lactam – führt.

"Diese Entdeckung ist von großer Relevanz für die beta-Lactam-Chemie. Uns ist es gelungen, diese Antibiotika mittels sauberer Carben-Insertionsreaktionen ohne Metallkatalysator herzustellen“, sagt Chemiker Nuno Maulide.

Die genauen Gründe für den Erfolg dieser Reaktion sind noch nicht gänzlich geklärt. "Wenn man aber die strukturellen und elektronischen Faktoren, die diese Umsetzung ermöglichen, genau feststellen und beschreiben kann, eröffnet sich ein vollkommen neues Kapitel hochinteressanter Carben-Chemie. Eine Vielzahl neuer Anwendungen wird dadurch möglich werden", so Maulide abschließend.

Publikation in Chemistry (Hot Paper)

Diazo- and Transition Metal-Free C-H Insertion: a Direct Synthesis of (beta)-lactams. Luís F. Gomes, Luís F. Veiros, Nuno Maulide,Carlos A. M. Afonso. Chemistry – A European Journal. November 2014. DOI: 10.1002/chem.201404990
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/chem.201404990/abstract



Weitere Meldungen

Innovative UV-Desinfektionslösungen können den Einsatz von Antibiotika in der Geflügelzucht verringern.; Bildquelle: iStock/Fraunhofer-Gesellschaft

Innovative Geflügelzucht: UV-Desinfektion statt Antibiotika

Infektionskrankheiten stellen ein großes Problem in der Geflügelzucht dar. Sie zwingen Geflügelhalter zum Einsatz von Antibiotika. Doch die Keime können dadurch Resistenzen gegen die Medikamente entwickeln. Über tierische Produkte gelangen diese resistenten Erreger auch in Lebensmittel
Weiterlesen

smartbax

smartbax: Start-up für grundlegend neue Antibiotika

Am Anfang stand Grundlagenforschung: Bei Experimenten im Labor stieß ein Team der Technischen Universität München (TUM) auf einen Wirkstoff gegen multiresistente Bakterien, der sich grundlegend von bisherigen Antibiotika unterscheidet
Weiterlesen

Julia Steinhoff-Wagner,; Bildquelle: A. Heddergott / TUM

Neuen Forschungsprojekt zur Antibiotika-Minimierung in der Geflügelhaltung

Den Antibiotikaeinsatz minimieren, ohne das Tierwohl zu gefährden: Julia Steinhoff-Wagner, Professorin für Tierernährung und Metabolismus an der Technischen Universität München (TUM), beschäftigt sich in einem neuen Forschungsprojekt damit, wie dies in der Geflügelhaltung gelingen kann
Weiterlesen

Am 3. Mai 2023 wurde CESAR nach dreijähriger Planungs- und Aufbauzeit feierlich eröffnet.; Bildquelle: RUB, Marquard

Neue Antibiotika gegen multiresistente Erreger systematisch suchen

Seit Jahrzehnten sind nur wenige neue Antibiotika auf den Markt gekommen – es werden überwiegend bekannte Wirkstoffe modifiziert
Weiterlesen

TU Berlin

Natürliches Pflanzengift als neues Breitband-Antibiotikum

Forschende der TU Berlin haben den Auslöser der Blattbrandkrankheit beim Zuckerrohr – Albicidin – so verändert, dass er gegen multiresistente Krankenhauskeime wirkt
Weiterlesen

Universität Göteborg

Abwasser ist ein stärkerer Nährboden für Antibiotikaresistenzen als bisher bekannt

Abwasser ist ein stärkeres Umfeld für die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen als bisher bekannt
Weiterlesen

Deutsches Zentrum für Infektionsforschung

Antibiotikaresistenzen: Tuberkulose-Therapie am Limit?

Die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen erschwert zunehmend die Behandlung der Tuberkulose
Weiterlesen

Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie

Sequentielle Antibiotikatherapie im Labor und beim Patienten

Schnelle Wechsel zwischen verschiedenen Antibiotika könnten die Evolution von Resistenzen verhindern und zur erfolgreichen Behandlung von Patienten führen
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen