Listerienstämme im Quargel – Forschende auf der Spur tödlicher Bakterien

(22.03.2014) Milchprodukte müssen hygienisch produziert werden, sonst drohen den KonsumentInnen gefährliche Erkrankungen. Genau das passierte in den Jahren 2009 und 2010. Zwei verschiedene Listerienstämme im Quargel verursachten damals 34 Erkrankungen, davon 8 Todesfälle.

ExpertInnen der Vetmeduni Vienna analysierten das Erbgut der Bakterien von damals und zeigten, dass die beiden Stämme unterschiedliche Eigenschaften haben und unabhängig voneinander in den Betrieb gekommen waren.

Die Resultate wurden im Journal PLOS ONE veröffentlicht und sollen helfen, Ausbrüche besser zu verstehen und Erkrankungen zu verhindern. 


Mit Listerien kontaminierter Quargel forderte in den Jahren 2009 und 2010 etliche Todesopfer

Listerien sind stäbchenförmige Bakterien, in der Natur allgegenwärtig und normalerweise unproblematisch für den Menschen. Die Art Listeria monocytogenes kann für den Menschen jedoch sehr gefährlich werden.

In Rohmilch und Weichkäse aber auch in Räucherfisch, rohem Fleisch und Fertigprodukten können die Keime vorkommen. Eine Infektion ist in Österreich meldepflichtig und kann bei immunschwachen Menschen tödlich verlaufen.

In den Jahren 2009 und 2010 produzierte eine Molkerei in Hartberg (Steiermark) mit Listerien verunreinigten Quargelkäse der zu schweren Erkrankungen in Österreich, Deutschland und der Tschechischen Republik führte.  Die Molkerei musste aufgrund der Krankheitsfälle schließen.

Klinische Fälle detektivisch zurückverfolgen

„Es gibt zum Glück relativ wenige Fälle der sogenannten Listeriose in Österreich. Wenn es allerdings zu einem Ausbruch kommt, hat die Erkrankung die höchste Sterberate unter allen lebensmittelbedingten Infektionen“, erklärt Erstautorin Kathrin Rychli vom Institut für Milchhygiene.

Schon bei der Aufklärung der Ausbrüche in den Jahren 2009 und 2010 war das Institut für Milchhygiene von der Vetmeduni Vienna beteiligt. Es handelte sich damals um zwei verschiedene Bakterienstämme, die nicht voneinander abstammen, also unabhängig voneinander in den Betrieb gelangt waren. 

Die Genetik verrät den Verlauf

Die ExpertInnen untersuchten in ihrer aktuellen Studie das Erbgut der beiden Keime und ihre Virulenz, das heißt, die Fähigkeit des Bakteriums, eine Zelle zu infizieren. Das Probenmaterial erhielten die WissenschafterInnen aus Proben von damals erkrankten Personen.

Beim ersten Kontaminationsereignis im Juni 2009 bis Jänner 2010 trat ein Bakterienstamm auf, der besonders gut Epithelzellen des Darmes und Leberzellen infiziert. Dieser Keim ist extrem virulent. Er besitzt vier zusätzliche Virulenz-Gene und verursachte 14 Erkrankungen, davon 5 Todesfälle.

Einige Monate später, im Dezember 2009 tauchte dann der zweite Keim auf, der besonders gut Makrophagen infizierte.

Das sind Zellen des Immunsystems. Dieser löste allmählich den ersten Keim ab und infizierte bis zum Februar 2010 insgesamt 20 Menschen, von denen 3 Personen verstarben. Auch der zweite Keim war sehr infektiös. Im Schnitt waren die Erkrankten rund 70 Jahre alt.

Höchste Betriebshygiene nötig

Listerienexperte und Co-Autor Stephan Schmitz-Esser betont die Bedeutung der Sauberkeit in den Betrieben: „Das Um und Auf sind die richtigen Desinfektionsmittel entsprechend angewendet, viel Salz und wenig Futter für die Keime.

Bei einem positiven Listerien-Befund müssen die ausgelieferten Produkte sofort rückgerufen werden. Solche Rückholaktionen bedeuten einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden für die Betriebe und sollen in jedem Fall verhindert werden.“

Das Institut für Milchhygiene an der Vetmeduni Vienna bietet österreichweit ein umfangreiches Listerienmonitoring und verschiedene molekular- und mikrobiologische Untersuchungsmethoden für die Lebensmittelindustrie an.

Was passiert bei einer Listeriose?

Eine Listeriose äußert sich normalerweise mit Durchfall und Bauchschmerzen. Je nach Bakterienstamm können jedoch auch andere Symptome auftreten. Ältere Menschen und Immunschwache sind naturgemäß stärker gefährdet.

Bei diesen Patienten kann sogar eine Gehirnhautentzündung auftreten. Bei Schwangeren kann eine Infektion mit Listerien zum Abbruch der Schwangerschaft oder zur Totgeburt führen. Das ist auch der Grund, warum Schwangere keine Rohmilch, rohes Fleisch oder rohen Fisch verzehren sollten.

Der Artikel „Genome sequencing of Listeria monocytogenes “Quargel” listeriosis outbreak strains reveals two different strains with distinct in vitro virulence potential“, von Kathrin Rychli, Anneliese Müller, Andreas Zaiser, Dagmar Schoder, Franz Allerberger, Martin Wagner und Stephan Schmitz-Esser wurde vor kurzem im Journal PLOS ONE veröffentlicht. DOI: 10.1371/journal.pone.0089964
http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0089964



Weitere Meldungen

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)

Online-Symposium: Auf der Spur der Listerien

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) richtet vom 16. bis 17. November 2020 ein Online-Symposium aus, in dem der Schutz vor Listerien im Mittelpunkt stehen wird
Weiterlesen

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)

Unsichtbare Gefahr: Listerien in Räucherfisch

Rohe, geräucherte und gebeizte Fischereierzeugnisse enthalten häufig krankmachende Keime, insbesondere Listerien
Weiterlesen

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)

Listerien: Täterjagd mit genetischem Profil

Erbgutinformationen helfen, die Quelle von Lebensmittelinfektionen aufzuspüren
Weiterlesen

Übertragungswege bei Listerien-Infektionen sowie Darstellung des Genoms des hypervirulenten Listeria-Stamms.; Bildquelle: S. Doijad, J. Falgenhauer

Hochvirulente Listeriose-Erreger entdeckt

Internationales Forscherteam identifiziert die genetische Grundlage für die Hypervirulenz eines Listerienstammes – Arbeiten an der JLU von der EU gefördert und durch das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) unterstützt
Weiterlesen

Schwein; Bildquelle: Vetmeduni Vienna

Listerien im Futter: Ein gefährliches Hygieneproblem bei Mastschweinen

Eine aktuelle Studie der Vetmeduni Vienna untersuchte eine tödliche Listeriose bei Mastschweinen, bei der fast jedes zehnte Tier verstarb
Weiterlesen

Klauentierpraxis 4/2018

Klauentierpraxis 4/2018

Die Klauentierpraxis (KTP) ist zu folgenden Themen erschienen: Oxidativer Stress bei Milchkühen in der Transitperiode, Reduziert die Aujeszky’sche Krankheit den Schwarzwildbestand?, Chronische Lahmheit und schlecht heilende Wunden bei Neuweltkameliden
Weiterlesen

EFSA

Länderübergtreifender Ausbruch von Listeria monocytogenes steht in Zusammenhang mit Verzehr von Lachserzeugnissen

Verzehrfertige Lachserzeugnisse, wie kalt geräucherter oder marinierter Lachs, sind die wahrscheinliche Quelle eines Ausbruchs von Listeria monocytogenes, der seit 2015 in Dänemark, Deutschland und Frankreich auftrat
Weiterlesen

eq boku

Produktschonende Inaktivierung von Listerien bei der Weiterverarbeitung von Molkenproteinen

Niedrige Temperaturen und ein saures Milieu begünstigen die Nutzung einer wirksamen Methode zur Inaktivierung von Listerien (und anderen Keimen) bei der Weiterverarbeitung von Molkenproteinen – ohne wertvolle Inhaltsstoffe zu zerstören
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen