Lebensraum Käse – Forschende entschlüsseln Leben auf der Käserinde

(10.05.2014) Bakterien und Pilze tragen wesentlich zur Reifung und zum Aroma verschiedener Käsesorten bei. Welche Mikroorganismen sich auf der Rinde des Vorarlberger Bergkäses tummeln, und was sie dort tun, erforschten WissenschafterInnen vom Institut für Milchhygiene an der Vetmeduni Vienna in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer Vorarlberg.

Die Forschenden fanden Unterschiede zwischen jungen und alten Käsen, aber auch bei Proben aus verschiedenen Käsekellern. Räumlichkeiten und Produktionstechniken beeinflussen die Käseflora mit. Die Forschungsergebnisse wurden im International Journal of Food Microbiology veröffentlicht.

Die Käserinde stellt die Grenzfläche zwischen Käse und Umwelt dar. Auf ihr leben eine Vielzahl von Mikroorganismen, die das sogenannte Mikrobiom darstellen, und gemeinschaftlich unterschiedliche Aufgaben übernehmen.


Für die Probennahme wird die Käserinde abgeschabt

Sie zersetzen Eiweiße und Fette auf der Rinde und entwickeln so flüchtige Schwefel- und Ammoniak-Verbindungen, die etwa für den intensiven Geruch einiger Käsesorten verantwortlich sind.

Käse kann unterschiedlich reifen. Einige Sorten, wie zum Bespiel Limburger, Tilsiter und Appenzeller, benötigen auf der Rinde entsprechende Bakterien, andere wiederum entwickeln ihre Aromen mit der Hilfe von Schimmelpilzen, wie zum Beispiel Camenbert und Brie.

Vorarlberger Bergkäse als Modell

Der Vorarlberger Bergkäse ist eine ursprungsgeschützte regionale Spezialität und wird jedes Jahr in großen Mengen produziert. Ähnliche Bergkäse gibt es auch in den Tirol und dem Allgäu.

„In Frankreich ist die Erforschung der Mikroorganismen auf dem Käse schon weit fortgeschritten. Das Mikrobiom auf dem Vorarlberger Bergkäse und seinen verwandten Sorten war bislang jedoch kaum untersucht“, erklärt Studienleiter Stephan Schmitz-Esser.

Käsesammeln für die Wissenschaft

Der Mikrobiologe Schmitz-Esser und die Erstautorin Elisa Schornsteiner untersuchten gemeinsam mit KollegInnen Käseproben aus drei verschiedenen Vorarlberger Käsereien. In jedem Käsekeller sammelte Schornsteiner 25 bis 30 Rindenproben von Käselaiben unterschiedlicher Altersklassen, von ganz jung bis alt gereift.

Anschließend unterzogen die WissenschafterInnen die Käserinden einer detaillierten genetischen Analyse, um die darauf lebenden Bakterien- und Hefestämme zu identifizieren.

„Meereskeim“ mit unbekannter Funktion auf der Rinde entdeckt

Die genetischen Analysen stellen nun erstmals das gesamte Mikroorganismenspektrum auf dem Vorarlberger Bergkäse dar. Ein Fund war besonders interessant für die ExpertInnen.

Das Bakterium Halomonas, ein salzliebender Keim, der ursprünglich wahrscheinlich aus dem Meer stammt, war der am häufigsten gefundene Mikroorganismus auf dem Käse. Besonders auf jungen Käserinden kam er vermehrt vor.

Da mit dem Reifungsprozess auch die Salzkonzentration auf der Käserinde abnimmt, fanden die Forschenden auch entsprechend weniger Halomonas-Keime auf älteren Rinden.

Welche Funktion Halomonas-Keime am Käse genau haben, ist derzeit noch unbekannt und Gegenstand zukünftiger Studien. Auch die Bedeutung der auf den Käserinden gefundenen Hefen ist bisher noch weitgehend unklar und bedarf weiterer Studien.

Der Nutzen des Mikrobioms am Käse

Mikroorganismen am Käse machen das Endprodukt nicht nur aromatisch, haltbar und gut genießbar, sie sind auch für die Lebensmittelsicherheit von großer Bedeutung.

Viele Bakterien auf der Käserinde können vor gefährlichen Keimen schützen, indem sie Hemmstoffe gegen andere krankheitserregende Bakterien, wie zum Beispiel gegen Listerien, bilden.

„Genau zu verstehen, welche Mikroorganismen sich auf der Rinde befinden und was ihre Aufgaben in dem komplexen Miteinander sind, ist unser Forschungsgegenstand“, erklärt Schmitz-Esser. „So können wir die Käsereien dabei unterstützen, einen sicheren und schmackhaften Käse zu produzieren“.

Der Artikel “Cultivation-independent analysis of microbial communities on Austrian raw milk hard cheese rinds”, von Elisa Schornsteiner, Evelyne Mann, Othmar Bereuter, Martin Wagner und Stephan Schmitz-Esser wurde im International Journal of Food Microbiology veröffentlicht. http://dx.doi.org/10.1016/j.ijfoodmicro.2014.04.010



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